Schließlich ist jeder, das heißt, jeder der schreibt daran interessiert in sich selber zu leben damit er sagen kann was in ihm drinnen ist.
— Gertrude Stein
 
 

Internet & Dorf

Ich bin in einem sehr kleinen Dorf in Hessen aufgewachsen, in das zum Glück irgendwann das Internet kam. Denn da konnte ich in Schreibcommunitys erste Texte teilen und lesen, was andere schreiben.

Eigenes Schreiben & andere Texte

Ich habe mir Studienfächer (an der Universität Hildesheim) ausgesucht, die dann ein bisschen an diese Internetseiten erinnert haben (und die ich ohne Internet nicht gefunden hätte): Kulturwissenschaften & Ästhetische Praxis und Literarisches Schreiben. Ich habe viele Gedichte geschrieben (und dann später übrigens einen kleinen Lyrikband veröffentlicht, der Schwämme heißt und einen größeren, der Gips heißt). Ich habe gelernt, über mein eigenes Schreiben und über andere Texte zu sprechen ─ und wie viel aus diesem Austausch entstehen kann.

Fremdsprache & Wortschatz

Ich habe danach fast ein Jahr in Marseille gelebt und bemerkt, wie sehr mich meine Sprache zu der macht, die ich bin. Dass ich mir mit weniger Vokabular ganz fremd vorkomme ─ und wie viel Schatz in Wortschatz liegt. (Jetzt, viele bröcklige und dann immer stabilere Sätze später, bin ich stolz darauf, französische Bücher lesen zu können. Also die meisten.)

Buchhandel & Freude

Weil mir das Studium nicht handfest genug war, habe ich noch eine Ausbildung zur Buchhändlerin hinten dran gesetzt und dann einige Jahre im Berliner Buchhandel gearbeitet. (Hier stehe ich sogar manchmal noch und empfehle Bücher.) Das war auch gut, um den Blick, den ich aus der Schreibschule mitgenommen habe, zu heben und auf den großen internationalen Buchmarkt auszuweiten. Und aber auch, um Tag für Tag im Laden auf Leser*innen zu treffen, zu sehen, zu welchen Büchern sie greifen, zu hören, was sie über Texte denken, welche Bücher ihnen eine Freude bereiten, ihnen aber z.B. auch Lyrik ans Herz zu legen. (Und immer, wenn in anderen Literaturbetriebssituationen über den ‘Markt’ gesprochen wird, über Verlagsentscheidungen und Verkaufbarkeiten, denke ich an diese direkten Gespräche im Laden. Das ist doch der Markt, denke ich dann. Jeder einzelne lesende Mensch.)

Lektorat & Exposés

Mit einem guten Überblick über die deutschsprachige Verlagslandschaft im Kopf bin ich dann weitergezogen und habe in einem Volontariat in einer Literaturagentur Autor*innen und ihre Manuskripte betreut, also Texte auf ihrem Weg, zu Büchern zu werden. (Ich habe dabei immer versucht, an die Menschen in der Buchhandlung zu denken.) Ich habe viele Exposés gelesen und selbst formuliert, habe viele Lektor*innen aus unterschiedlichen Verlagen kennen gelernt und selbst Texte lektoriert. (Ich habe auch viel über den ‘Markt’ geschimpft, dabei aber nicht die Menschen in der Buchhandlung gemeint.)

Benjamin Blümchen & Beutel

Und dann bin ich wieder weitergezogen und im Bereich Übersetzungsförderung gelandet. Und als ich mich komisch gefühlt habe damit, immer wieder weiterzuziehen in diesem Literaturbetrieb, immer wieder einen anderen Job zu machen, immer wieder jemand anderes zu ‘sein’ (Lyrikerin, Buchhändlerin, Literaturagentin, Projektkoordinatorin) hat eine Freundin zu mir gesagt:

Denk einfach an Benjamin Blümchen.
Der hat auch in jeder Folge einen anderen Job
.

Ich habe dann versucht, die Verbindungen zwischen all den einzelnen Wegen zu sehen und das irgendwie sehr ganzheitliche gewordene Paket an Literaturbetriebserfahrungen wertzuschätzen, das in meinem Beutel steckt und das ich bei allem, was ich tue, dabei habe.

Ermutigung & Selbstständigkeit

Dann kam die Pandemie. Und ich habe (und all das hatte viel mit dem Versuch zu tun, nicht durchzudrehen) angefangen, Collagen zu kleben, ein digitales Literaturfestival auf die Beine zu stellen (Viral) ─ und einen Roman zu schreiben (deswegen weiß ich sehr gut, wie wunderschön aber auch wie schwer so vieles daran sein kann: das Daran-Glauben, das Dranbleiben, das Text-Zusammenhalten, das Alleine-Sein damit … )

Und weil mich so tolle Menschen wie Ricarda Kiel von ‘Die gute Website’ sehr dazu ermutigt haben, habe ich mich schließlich getraut und meine Anstellung gekündigt, um mich selbstständig zu machen. Schreibend und lektorierend und textbegleitend (z.B. auch 1 x im Monat beim Co-Working zusammen mit Ricarda).

Mit allem, was ich in meinem Beutel habe. (Bäm!)